„Hast du schon was gegessen?“
Name: | Michael Stöckel |
Universität in China: | Beijing Foreign Studies University |
Abschlüsse in Deutschland: | Master Verwaltungswissenschaft (Universität Potsdam), Master International Economics (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin) |
Praktikum: | Delegation der Deutschen Wirtschaft in Shanghai (AHK Greater China) im Team Government Affairs & Advocacy |
Sprachniveau Chinesisch: | HSK 4 |
Karriereziele: | Ich strebe eine Analystenstelle oder eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Wirtschafts- und Finanzpolitik an. Gerne auch mit einer Ausrichtung auf Handel und Investitionen mit China. |
Interview
Warum bist du überhaupt nach China gekommen?
Ich wollte schon immer mal nach China. Schon während meiner Schulzeit und danach habe ich regelmäßig nach passenden Programmen für einen Chinaaufenthalt geguckt. Es war aber nie etwas Passendes dabei. Meine Unis hatten auch keine richtige China-Connection, sodass ich dann immer woanders aber nicht in China gelandet bin. Dann hatte ich mich für einen Master in China beworben und auch eine Zusage bekommen. Das war dann aber in irgendeiner nordchinesischen Kohle- und Stahlstadt, die ich nicht kannte. So ganz ohne Unterstützung habe ich dann kalte Füße bekommen und bin nicht hingeflogen. Irgendwann habe ich von Sprache und Praxis in China erfahren und das war dann der perfekte Einstieg um dieses Land – eigentlich ist es ja vielmehr als ein Land – also, um diesen Kulturkreis kennenzulernen.
Wie war das Chinesischlernen an der Universität? Wie war das Lernen an einer chinesischen Universität?
Wir haben als 27. Jahrgang von S&P beides mitgemacht: Mein erstes Semester war noch online. Im Herbst 2022 war in China ja noch Zero-COVID Politik angesagt. Und das zweite Semester – ab Februar 2023 – fand dann in Peking im Offline-Unterricht statt. Das Gefühl insgesamt ist schon ‚back to school‘. Viel Frontalunterricht, Tadel und Punktabzug, wenn man die Hausaufgaben nicht gemacht hatte. Die Lehrerinnen, ich hatte ausschließlich Lehrerinnen, waren aber super motivierend und gutherzig. Aber ja, man muss sich schon darauf einlassen, dass sie einen gewissen Inhalt pro Stunde durchziehen wollen. Es gibt also keine Flexibilität beim Lehrstoff. Mir hat es aber viel Spaß gemacht, sich auf eine neue Sprache einzulassen und die Zeichen auch handschriftlich zu schreiben. Das hat ja auch eine gewisse Ästhetik und hat etwas Meditatives, wenn man jedes Zeichen in zwanzig Wiederholungen schreiben muss.
S&P-Stipendiat Michael Stöckel über den Übergang vom Sprachkurs zum PraktikumInsofern war also der Schritt nach Shanghai umzuziehen und mir da selber eine WG zu suchen, ein Schritt, bei dem ich dann wieder unabhängiger mein Leben gestalten konnte.
Nach zwei Semestern Chinesisch ist ein sechsmonatiges Praktikum in einer in China ansässigen Organisation oder Firma vorgesehen. Wie hast du diesen Übergang von der Chinesisch-Lernwelt in die Chinesisch-Berufswelt empfunden?
Ich habe diesen Übergang nicht als sehr dramatisch empfunden. Ich hatte auch in Deutschland nach meinem Master schon ein paar Jahre gearbeitet. Von daher war ich ab Ende der zwei Semester eher wieder bereit für diesen Wandel. Es ist ja so, dass ich mir an der BFSU schon etwas überbehütet vorgekommen war. Es gibt beispielsweise eine Sperrzeit für die Studi-Wohnheime. Das bedeutet, dass die Eingangstür zwischen 0 Uhr nachts und morgens um 6 abgeschlossen wird und man davor im Wohnheim sein sollte. Und wenn man später kommt, muss man sich in die Liste eintragen. Wenn das zu oft vorkommt, muss man angeblich ausziehen. Insofern war also der Schritt nach Shanghai umzuziehen und mir da selber eine WG zu suchen, ein Schritt, bei dem ich dann wieder unabhängiger mein Leben gestalten konnte.
In welchem Maße benutzt du Chinesisch während deines Praktikums?
In der Arbeit nutze ich Chinesisch leider kaum. Ich arbeite bei der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Shanghai, die ist Teil der Außenhandelskammer Greater China. Insofern ist das ein deutsches Unternehmen. Allerdings sind fast alle Mitarbeiter:innen aus China. Sodass im Büro schon hauptsächlich Chinesisch gesprochen wird. Arbeitssprache ist aber Englisch. Chinesisch spreche ich hier auf der Arbeit nur in kleinen Alltagssituationen mit Kolleg:innen am Kaffeeautomat, beziehungsweise am Heißwasserspender. Dann wird irgendeine chinesische Redensart erklärt oder gefragt, was ich am Wochenende vorhabe. Aber konkret für meine Arbeit muss ich viele Quellen recherchieren. Da hilft Chinesisch natürlich, aber ohne die Übersetzungsanwendungen bin ich weiterhin aufgeschmissen. Die Rückmeldung, die ich aber bekomme, ist allerdings schon so, dass alle über das Niveau begeistert sind, welches ich nach nur einem Jahr Intensivkurs erreichen konnte. Ich denke, dass eben viele Ausländer, die herkommen, nicht diesen Zugang haben oder eben nicht so einen Sprachkurs machen konnten, und deswegen über ein rudimentäres Chinesisch schwer hinauskommen.
Michael Stöckel über die nachhaltige Bedeutung von Chinakompetenz in Politik und WirtschaftSo oder so werde ich aber im Politikbereich zu Wirtschafts- und Finanzthemen tätig sein und, wie bei fast allen Politikfeldern, ist es da natürlich gut, mit Chinakompetenz aufwarten zu können. Im wirtschaftlichen Bereich sind die Verflechtungen ja nach wie vor sehr tiefgehend, trotz aller Beteuerungen zum De-Risking.
Denkst du, dass auch in Zukunft Chinesisch ein integraler Bestandteil deines Berufs und deiner Karriere sein wird?
Ich möchte, dass es weiter eine wichtige Rolle spielt. Ich würde gerne zum Beispiel als Analyst zu wirtschaftlichen China-Themen der EU-China Handels- und Investitionsbeziehungen arbeiten. Ich habe da zwar was in Aussicht, aber es ist noch nicht hundertprozentig sicher. So oder so werde ich aber im Politikbereich zu Wirtschafts- und Finanzthemen tätig sein und, wie bei fast allen Politikfeldern, ist es da natürlich gut, mit Chinakompetenz aufwarten zu können. Im wirtschaftlichen Bereich sind die Verflechtungen ja nach wie vor sehr tiefgehend, trotz aller Beteuerungen zum De-Risking.
Zu guter Letzt, welche chinesischen Phrasen sollte man, sobald man in China ist, schleunigst auswendig lernen, bzw. welche hast du tagtäglich benutzt?
Im Alltag ganz wichtig, vielleicht ähnlich häufig gebraucht wie das deutsche ‚Mahlzeit‘, ist das 你吃了吗? (Nǐ chī le ma). Also die Frage, die um die Mittagszeit gestellt wird, ob die Person schon gegessen hat. Das ist aber vielleicht eher im Arbeits- oder Bürokontext so. Auf dem Unicampus habe ich das nicht gehört. Und auch ganz nett ist die Erwiderung des Fragestellers. Wenn nämlich die Frage verneint werden sollte, dann lädt der Fragesteller die andere Person dazu ein, doch zu ihm oder ihr nach Hause zu kommen und dort zu essen: 你没有吃饭吗?那来我家吃吧。(nǐ méi yǒu chī fàn ma? nà lái wǒ jiā chī ba.) Die Phrase verdeutlicht schon die ja legendäre Gastfreundschaft in China.
Wir bedanken uns bei Michael Stöckel für das aufschlussreiche Interview!
Max Paul Greve-Gao sprach mit Michael Stöckel.
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