Ein Online Studium vor Ort - Daniel Sauer im Gespräch
Name: Daniel Sauer
Universität in China: University of International Business and Economics (UIBE)
Hauptfach: Finance (in Englisch)
Sprachniveau Chinesisch: HSK 2
Angestrebter Abschluss: Finance (M.Sc.)
Karriereziele: Ich strebe eine Managementposition in einem führenden Accounting- oder Industrieunternehmen an. Die UIBE ermöglichte mir durch eine internationale Arbeitsatmosphäre eine Vertiefung meiner interkulturellen Kompetenzen. Ich habe in meinem Masterstudium viele Dinge gelernt, die über fachliches Wissen hinausgehen. Für meinen zukünftigen Karriereweg wünsche mir, dass ich diese Erfahrungen in meine Arbeit einfließen lassen kann.
Interview
- Du hast es ja nach Tianjin geschafft! Könntest Du Deinen Weg nach China kurz beschreiben?
Meine Reise nach China war geprägt von unvorhersehbaren Wendungen und unzähligen bangen Minuten. Am Ende hatte ich sehr großes Glück! Es war lange nicht klar, ob eine Einreise überhaupt möglich sein würde, da sich die Einreiseregelungen aufgrund von Covid-19 ständig änderten.
Im März 2020 entschied ich, es wenigstens zu versuchen. Um einreisen zu können, bewarb ich mich im Januar 2020 in München um ein X2 Visum (short term study visa). Ich habe mich für ein einsemestriges Sprachprogramm entschieden. Für dieses Visum habe ich einige Unterlagen von der Universität in China benötigt, die mir per Post geschickt wurden. Der Bearbeitungsprozess war schnell und unkompliziert. Nachdem ich meine Masterzulassung erhalten hatte, konnte ich einen Aufenthaltstitel (residence permit) beantragen.
Die Einreise gestaltete sich wiederum sehr kompliziert, da es kaum Flüge gab. Ich musste zweimal umsteigen, da ebenfalls keine Direktflüge zu finden waren. Weiterhin war der Ticketpreis verhältnismäßig hoch. In China angekommen, musste ich erst einmal zwei Wochen in Quarantäne. Hierzu wurde ich in ein Quarantänehotel in Shanghai gebracht. Die Einrichtung war sehr gut ausgestattet, groß und das Personal war nett und hilfsbereit. Ich durfte das Hotelzimmer jedoch nicht verlassen, was ein seltsames Gefühl war.
Ein wichtiger Tipp für die Vorbereitung auf den Chinaaufenthalt ist, vorab einen chinesischen Sprachkurs zu besuchen, da dies die Kommunikation deutlich vereinfacht. In China kann man sich zwar immer häufiger auch auf Englisch unterhalten, aber in vielen Teilen kommt man mit damit nicht sehr weit. Häufig bieten die Heimatuniversitäten in Deutschland hierzu einen kostenlosen Sprachkurs an. Weiterhin ist es wichtig, sich vor der Abreise mit den kulturellen Gepflogenheiten vertraut zu machen.
- Was waren die Beweggründe für Dich nach China, Tianjin, zu gehen?
2013 bin ich das erste Mal mit der chinesischen Kultur in Berührung gekommen, als ich meinen Bruder während seines Praktikums in Peking besuchte. Bei dieser Reise hat mich fasziniert, wie in China Tradition und Moderne ineinander übergehen.
In den Städten entdeckt man neben futuristisch anmutenden Wolkenkratzern alte historische Gebäude und Gässchen, die sinnbildlich für die chinesische Lebensart zwischen “hyper-modern” und konfuzianisch stehen. Diese vermeintlichen Gegensätze zogen mich an! Auch findet man außerhalb der großen Metropolen wunderschöne Landstriche, die kaum bewohnt sind. Besonders gut gefallen hat mir hierbei die chinesische Mauer.
Mein Mann ist außerdem Chinese und brachte mir natürlich schon viel über seine Kultur bei. 2020 waren es berufliche Gründe, die uns beide nach Tianjin zogen. Ich wusste am Anfang nicht sehr viel über diese Stadt, die in China oft die „kleine Schwester von Peking“ genannt wird. Doch Tianjin hat viel zu bieten: wunderschöne Parks, leckeres Essen und umfangreiche Freizeitmöglichkeiten.
- Bitte beschreibe Deinen Tagesablauf. Wie unterscheidet sich das Studium in China vom Studium in Deutschland? Welches Budget benötigt ein Durchschnittsstudent?
Alle meine Vorlesungen fanden online statt. Der Grund hierfür war, dass die meisten Studierenden sich noch im Ausland befanden. Meine Vorlesungen waren somit vorwiegend nachmittags. Morgens schlenderte ich so zu den lokalen Essensständen und kaufte „Baozi“ (chinesische Dumplings) oder „Jianbing“ (chinesischer Pfannkuchen). Danach ging meist erst einmal ins Fitnessstudio.
Das chinesische Studium
Meine Vorlesungen fanden ausschließlich über Tencent-Meeting statt. Ein Großteil der Kommunikation lief zudem über verschiedenste WeChat-Gruppen. Hierüber schickte das Lehrpersonal die Unterlagen bzw. Präsentationen. Da die Vorlesungen häufig auf bestimmten Lehrbüchern basierten, musste ich diese zusätzlich kaufen (10-40 Euro). Es lohnt sich also nachzufragen, ob auch kostenlose Versionen (als PDF) zur Verfügung stehen.
Aufgrund der Pandemie ist es schwer, das Studium in China und Deutschland zu vergleichen. Grundsätzlich will ich zwei große Unterschiede hervorheben: Zum einen waren da die „Midterms“ und die „Finals“. Für die meisten Kurse an der UIBE gibt es also sowohl eine Zwischenprüfung als auch eine Abschlussprüfung. Hierbei ist zu beachten, dass der Lehrstoff der Midterms nicht mehr in den Finals abgefragt wird. Ich empfand dieses Model hat einen großen Vorteil, da das Lernpensum über das Semester verteilt wurde.
Zum Zweiten sind da die Hausaufgaben: In manchen Kursen bekamen wir regelmäßig welche auf. Dies unterscheidet sich also deutlich von einer deutschen Hochschule. Das Ziel war, das Gelernte zu wiederholen und somit zu verfestigen. In manchen Fällen wurden die Hausaufgaben sogar benotet.
Die Wahlmöglichkeiten von fachbezogenen Kursen waren eher eingeschränkt, da von der UIBE vorgegeben wird, welche Fächer belegt werden sollen. Hierzu habe ich von meiner Fakultät einen Studienplan erhalten. Für jeden Masterstudiengang wurden jedoch auch ein paar Wahlmodule angeboten. So konnte ich beispielsweise Studieninhalte aus dem Kurs „International Business“ wählen.
Um den Master erfolgreich abzuschließen, benötigte ich 37 Credits. Davon sind 23 fachbezogen (inklusive Masterarbeit) und 14 fächerübergreifend (inklusive Chinesisch-Sprachkurse). Alle Fächer werden an der UIBE nur einmal im Jahr angeboten.
Durch die Midterms und Hausaufgaben war ich eigentlich ständig am Arbeiten. Mir hat dies aber gut gefallen, da die Vorbereitung der Abschlussprüfungen nicht ganz so nervenaufreibend waren wie in Deutschland. Das Niveau zu vergleichen, fällt mir schwer, da es von Fach zu Fach divergierte.
Das chinesische Leben ist günstig – das westliche nicht
Der Lebensunterhalt in China ist generell günstiger als in Deutschland, dennoch ist es wichtig, auf seine Ausgaben zu achten, denn alle importierten Produkte, die in Deutschland zum Alltag zählen, sind in China verhältnismäßig teuer. Ich bezahlte beispielsweise für einen Kaffee genauso viel wie in Deutschland.
Das chinesische Essen ist grundsätzlich günstig; ich wurde hier für zwischen zwei und fünf Euro satt. Es kommt in China allerdings darauf an, wo man Essen geht. In Malls und westlichen Cafés sind die Preise zum Teil astronomisch. Auf dem Campus speiste es sich am günstigsten, allerdings wohnte ich außerhalb und war dort selten zum Essen.
Die Miete in Tianjin ist günstiger als in meiner Heimatstadt. Ich zahlte zusammen mit meinem Ehemann ungefähr 500 Euro für unsere 70 m² Wohnung. Die Zimmer auf dem Campus sind deutlich günstiger, aber man teilt sich diese mit anderen. Die öffentlichen Verkehrsmittel in China sind unschlagbar billig! 20 Cent kostete es mich, mit der U-Bahn in die Innenstadt zu fahren. Fahrrad Apps gibt es wie Sand am Meer und Taxis kosten ca. 20% des deutschen Preises.
- Welche Eigenschaften braucht ein Austauschstudent oder eine Austauschstudentin deiner Meinung, um ein Studium in China zu meistern?
Flexibilität: Die Covid-19-Pandemie verdeutlichte umso mehr, wie essenziell es ist, sich laufend anzupassen. Ich hatte mir den Aufenthalt in China sicherlich anders vorgestellt, dennoch bin ich sehr froh, dass ich mich voll auf dieses Abenteuer eingelassen habe.
Eigenständigkeit: Ich war vorher noch nie so lange im Ausland. Das war auf der einen Seite ein ungewohntes und befremdliches Gefühl. Auf der anderen Seite erfuhr ich eine ungekannte Freiheit.
Selbstbewusstsein: Es ist ganz normal, dass man bei der Vorbereitung für den Auslandsaufenthalt einige Selbstzweifel durchlebt, das gehört auch dazu! Ich erstaunte mich schlussendlich jedoch oft selbst. Dieses gewonnene Selbstvertrauen bleibt mir hoffentlich erhalten.
Geduld: Die Geduld wurde den Chinesen scheinbar in die Wiege gelegt, wir Deutschen müssen sie erlernen. Wenn man ins Ausland geht, hat man gewisse Erwartungen und Vorstellungen des fremden Landes, die einem bei Ankunft schnell geraubt werden. Es ist wichtig, sich nicht zu sehr davon verunsichern zu lassen! Mit der Zeit wird man sich schon zurechtfinden.
Interkulturelle Kompetenzen: Es gibt große kulturelle Unterschiede zwischen China und Deutschland. Für mich war es aber immer wichtig zu sehen, dass beide Länder mehr verbindet als trennt. Mein Tipp: Lernt mehr über die chinesische Geschichte, da sie in den Köpfen der Chinesinnen und Chinesen viel präsenter ist als wir es gewohnt sind.
- Was sind deine Lieblingsorte in Tianjin? Welche Speisen schmecken am besten?
Die chinesische Mauer
Was wenige wissen: Auch in Tianjin kann man die chinesische Mauer besuchen. Es lohnt sich unbedingt, einen Tagesausflug dorthin zu unternehmen. Der Abschnitt in Tianjin heißt Huangyaguan. Die Anfahrt ist leider ein bisschen umständlich. Ich empfehle, zunächst mit dem Bus oder Zug nach Jizhou zu fahren und den Rest der Strecke mit dem Taxi zurückzulegen. Die chinesische Mauer ist wirklich ein faszinierendes Bauwerk, das sich die Berghänge hinaufschlängelt. Einen wird unmittelbar klar, wie aufwendig es gewesen sein muss, dieses (heutige) Wahrzeichen zu errichten! Während des Ausflugs sollte man auch Jizhou besichtigen. Besonders sehenswert sind der Dual Temple und der Food Market.
People’s Park
Inmitten von Tianjin befindet sich der People’s Park. Wenn ich dem hektischen Stadtleben entfliehen wollte, kam ich hierher. Die Rentner und Rentnerinnen trieben morgens Sport, von schallender Musik angespornt. Der Park umrahmt einen kleinen See, über den viele kleine Brücken führen. In der Nähe gibt es viele winzige Restaurants, die lokale Speisen anbieten.
Five Great Avenues (Wu Da Dao)
Der Ort „Five Great Avenues“ ist bekannt für seine westliche Bauweise. Es gibt hier viele kleine Seitenstraßen, voll mit Restaurants und Cafés. Gerade während der Kirschblüte lohnte es sich besonders, den Wu Da Dao zu besuchen.
Water Park
Der Wasserpark ist ungefähr zehn Minuten mit dem Taxi vom Stadtzentrum entfernt und von einem großen See umgeben. Man kann Tretboote ausleihen und plätschernd die Gegend erkunden. Nennenswert sind die vielen unterschiedlichen Teehäuser, die Schwarzen-, Weißen- und Grünen Tee anbieten.
Panshan Mountain Scenic Area
Nicht weit vom Huangyaguan befindet sich der buddhistische Berg Panshan. Vom Fuße des Berges führt eine Seilbahn hinauf auf den Gipfel. Ich entschied mich damals dazu, den Berg zu Fuß zu erklimmen, denn die wunderschöne Landschaft macht diesen Wanderweg zum Erlebnis. Der Weg schlängelt sich an unzähligen buddhistischen Tempeln vorbei. Ich würde empfehlen, den Panshan im Frühling zu besuchen, denn dann blüht der Berg auf.
Goubuli (kleine chinesische Dumplings)
„Goubuli Baozi“ ist eine Spezialität aus Tianjin. Diese Dumplings wurden bereits in der Qing Dynasty gegessen. Der äußere Teil der Baozi besteht aus einem fluffigen Hefeteig. Als Füllung werden u.a. Schweinefleisch oder Meeresfrüchte verwendet.
Jianbing
Jianbing ist ein bekanntes Frühstück aus Tianjin, man findet ihn aber im ganzen Norden Chinas. Er ähnelt in gewisser Weise dem französischen Crêpe. Der Teig besteht aus Weizenmehl, Wasser und Eiern. Gefüllt wird er mit Frühlingszwiebeln, Chilisauce, Sojasoße und eine frittierte Teigstange.
Hotpot (Feuertopf)
Auch wenn der Hotpot nicht ursprünglich aus Tianjin kommt, ist er einer meiner Lieblingsspeisen. Beim Hotpot, auch bekannt als chinesisches Fondue, nutzt jede Region eigene Zutaten. Der bekannteste Hotpot kommt aus Sichuan. Die Brühe besteht hier vorwiegend aus Chili, Sichuanpfeffer, Öl und Kräutern. Mir gefällt besonders am Feuertopf, dass man ihn in einer großen Gruppe verspeist, denn man kann die ganzen Zutaten, die man in den Topf dippt, nur gemeinsam verzehren.
Die Heimreise
Seit Februar 2022 bin ich wieder zurück in Deutschland. Die Ausreise aus China war ein wenig chaotisch, da Tianjin sich zu dieser Zeit im Lockdown befand. Es war unglaublich umständlich, die Stadt zu verlassen, um zum Flughafen zu gelangen.
In meinem aktuellen Job in Deutschland fühle ich mich sehr wohl, da ich auch hier in einem internationalen Umfeld arbeiten kann. Abschließend kann ich sagen, dass sich mein Auslandsaufenthalt in China sehr gelohnt hat, da ich mich persönlich und fachlich weiterentwickeln konnte.
Mit Herrn Sauer sprach Ende März Frau Marie Adams, Betreuerin für deutsche Stipendiatinnen und Stipendiaten an der DAAD-Außenstelle Peking. Interesse an einem Stipendium für China?