Mein erster echter Flohmarktbesuch
Ich bin jemand, der gerne über Märkte schlendert – besonders unter freiem Himmel. In China besuchte ich oft Märkte mit Designerteilen und Selbstproduziertem, nicht nur weil ich dort Designerinnen und Designer antreffen, sondern mich auch jedes Mal über mögliche Funde und Überraschungen freuen konnte. Wenn ich beispielsweise etwas Schönes entdeckte, konnte ich mich sogleich mit dem Künstler oder der Künstlerin darüber austauschen und erfuhr mehr über das Objekt meiner Begierde.
Obwohl ich nicht sonderlich künstlerisch begabt bin und mich auch sonst nicht wirklich für Ausstellungen interessiere, bin ich von Märkten fasziniert. Diese Begeisterung entstammt meiner Neugier gegenüber neuen Dingen. Märkte erfüllen eine Stadt außerdem mit Vitalität. Ich werde daher magisch von ihnen angezogen.
Bevor ich nach Deutschland zog, freute ich mich dementsprechend besonders auf die Märkte, die ich an jedem Wochenende besuchen würde. Auch wegen meines Studiums war ich besonders an den Second-Hand-Märkten Deutschlands, den „Flohmärkten“ interessiert.
Als ich jedoch in München ankam, war dort von Flohmärkten nichts zu sehen und ich bekam schreckliches Heimweh. Zuvor hatte ich im Internet gelesen, wie weit verbreitet sie in Deutschland seien. Endlich ergab sich für mich die Gelegenheit über den langersehnten Flohmarkt in München zu schlendern! Es war auch das erste Mal, dass ich auf solch einen Markt ging!
Dieser Markt fand an vielen Standorten gleichzeitig statt, befand sich also in den öffentlich zugänglichen Höfen der Wohnviertel: Am 26. Juni 2021 eröffneten von 10 Uhr bis 16 Uhr in rund zwölf verschiedenen Stadtgebieten Münchens eine Vielzahl von „Hofflohmärkten“. Auf dem Screenshot sind die Orte markiert.
Die Eingangsbereiche der teilnehmenden Wohnblöcke waren mit bunten Luftballons markiert und nur wenige Schaulustige hatten sich den oben gezeigten Plan ausgedruckt, sondern ließen sich von den Ballons zu den „Schätzen“ leiten.
Begeistert lief ich durch die Maxvorstadt. Nach zwei Stunden ging ich jedoch schon wieder nach Hause, da ich am Nachmittag noch eine Hausaufgabenbesprechung auf dem Terminkalender stehen hatte. Obwohl ich innerhalb von zwei Stunden nur ein Drittel der Flohmärkte besucht hatte, war ich dennoch ganz schön erschöpft (von wegen jung und sportlich!). Meine energiegeladenen deutschen Freunde waren im Nachhinein noch weitergezogen. Obwohl ich also nicht lange durchgehalten habe, möchte ich dennoch gerne meine Erfahrungen teilen.
Außer den Luftballonmarkierungen hingen an jedem Wohnviertel noch handgeschriebene Willkommensschilder und Erläuterungen zu den angebotenen Gegenständen. Die individuelle Gestaltung spiegelte den Stil der jeweiligen Wohnviertel wider. Auch das Durchschnittsalter der Bewohnerinnen und Bewohner ließ sich einfach von den Angeboten ableiten:
In einem Wohnviertel mit jungen Leuten wurden meistens Schuhe, Kleidung, Dekoration und Hausrat verkauft. Es gab sogar Flohmarktstände, die Unterwäsche verkauften! Wohnviertel mit Familien, deren Kinder gerade laufen gelernt hatten, verkauften zumeist Babyartikel und Bekleidung. Bei Familien, deren Kinder bereits die Grundschule besuchten, saßen diese für gewöhnlich mit am Stand. Vor ihnen lagen gefaltete Hemden, Kinderspielzeug und -bücher, allesamt sorgfältig aufgereiht.
Vor einem Stand verweilten besonders viele Menschen und lauschten gespannt einem kleinen Jungen. Dieser erzählte ihnen ganz stolz und mit beiden Händen in den Hosentaschen, dass er hier seine Lieblingskinderspielzeuge präsentiere. Leider sei er nun schon zu groß geworden…
In den Wohnvierteln mit Senioren fanden sich Geschirr, Blumentöpfe und Werkzeuge. In Wohnvierteln mit jungen Bewohnerinnen und Bewohnern standen zumal kleine Kinder als Eingangskontrolleure wache, um den Besucherstrom zu kontrollieren und die Ordnung zu wahren. Dies empfand ich als eine sehr schöne Art und Weise, den Zusammenhalt unter den Menschen zu stärken.
An den angebotenen Dingen waren in der Regel keine Preisschilder angebracht, deswegen konnte man gut feilschen. Die Menschen genossen die Sonne und wirkten rechtlich entspannt, während die Besucherinnen und Besucher an ihnen vorbeiströmten. Neben all den Schuhen, der Kleidung und des Hausrats wurden auch selbstgebackene Kuchen zum Verkauf angepriesen.
Ich habe einen besonders interessanten Kuchenstand entdeckt, bei dem man selbst entscheiden konnte, wie viel der Kuchen einem wert sei. Der Standbesitzer spendete die Einnahmen an einen Wohltätigen Zweck. Der Kuchen schmeckte großartig! Ich hatte das allerdings schon erwartet, denn wer sich seiner eigenen Backkünste nicht sicher wäre, würde sie wohl kaum zu Schau stellen.
Dank dieser Flohmarkterfahrung kann ich heute die Regelungen der Deutschen besser nachvollziehen. Vom komplexen Mülltrennungs- bis hin zum Pfandflaschensystem, von der Vielzahl an Second-Hand-Geschäften bis hin zu den verschiedenen Flohmärkten haben alle Dinge, die man persönlich nicht mehr benötigt, immer noch Wert. So viel sogar, dass man wunderbare Märkte organisiert, um dafür zu sorgen, dass die alten Dinge ein neues zu Hause finden. Ich bewundere die konsequente Ressourcensammlung und -nutzung in Deutschland. Durch Flohmärkte wird die Nutzungsdauer der Gegenstände verlängert.
Obwohl mit dem Aufkommen des E-Commerce auch Second-Hand-Plattformen im Internet durch ihre Annehmlichkeit immer mehr Zuspruch erhalten, bevorzuge ich immer noch das physische Einkaufserlebnis. Ich hoffe, dass es in China auch viele solcher Flohmärkte geben wird, damit alte Dinge anderen nochmals Freude spenden können.