„Bei Emissionen gilt: Vermeiden vor Reduzieren vor Kompensieren“
Herr Dr. Sicks, inwiefern trägt der Kernauftrag des DAAD – die Förderung der internationalen Wissenschaftskooperation – dazu bei, die Klimakrise zu bewältigen?
Die Klimakrise und ihre Bewältigung sind ein globales Problem. Es lässt sich nicht durch einzelne Nationalstaaten lösen, sondern allein in Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg. Nur so können wir nachhaltige Ergebnisse erzielen, die den Klimawandel zumindest abbremsen. Zudem wollen wir uns am Agenda-Setting beteiligen: Das heißt, Anreize für Länder setzen, sich mit Fragen des Klimawandels auseinanderzusetzen. Im Globalen Süden stellen wir dafür Ressourcen bereit. Im Globalen Norden geht es uns auch darum, Allianzen in Europa und Übersee zu bilden. Gemeinsam wollen wir wissenschaftliche Fortschritte erzielen und die gewonnenen Erkenntnisse konkret anwenden.
Können Sie Beispiele oder Projekte benennen?
Mit unseren Fördermitteln treiben wir unterschiedlichste Projekte zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit voran. Seit dem vergangenen Jahr etwa fördern wir sogenannte „Globale Zentren für Klima und Umwelt“. Das sind Netzwerke aus Hochschulen des Globalen Südens und Deutschlands, die sich jeweils mit einem bestimmten Thema aus dem Bereich Klima und Umwelt befassen. Das „African Climate and Environment Center – Future African Savannas“ mit Hochschulen aus Kenia und der Elfenbeinküste setzt sich zum Beispiel mit der Savanne auseinander. Wie kann man die Biodiversität dieses Lebensraums stärken und den Boden erhalten? Wie die Bevölkerung vom Naturschutz überzeugen? Das sind Fragen, die dort gelehrt und erforscht werden.
Ein zentraler Bestandteil des internationalen Austauschs ist physische Mobilität, oft in Form von Flugreisen, die bekanntermaßen besonders viele Emissionen verursachen. Wie lassen sich der internationale Austausch und die globale Wissenschaftskooperation mit einem klimaverträglichen Handeln vereinbaren?
Zunächst ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass durch den internationalen Austausch eine Klimabelastung entsteht. Unsere Flüge setzen wir daher in ein sinnvolles Verhältnis zum Ertrag. Wenn etwa jemand aus Argentinien nach Deutschland fliegt, um hier ein Jahr zu studieren, ist das Verhältnis angemessen. Es gibt aber auch DAAD-Programme, bei denen wir uns fragen, ob digitale Formate nicht eine noch größere Rolle spielen können.
Es kommt also auf den Zweck des Fluges an?
Ja. Die meisten unserer Flüge haben einen sehr positiven Einfluss auf andere Nachhaltigkeitsaspekte: etwa auf Bildungsfragen, globale Integration, gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie Toleranz- und Persönlichkeitsentwicklung. Fakt ist aber auch: Solange Flüge noch Treibhausgase verursachen, werden wir unsere Emissionen nicht auf null fahren können. Für diese Aktivitäten brauchen wir das Instrument der Klimakompensation.
Die Coronapandemie hat gezeigt, dass Arbeit, Austausch und Begegnung auch digital funktionieren können. Für welche Tätigkeiten des DAAD halten Sie physische Präsenz dennoch für unerlässlich?
Das Digitale ermöglicht uns, flexibel zu agieren. Für den fachlichen Austausch kann das sehr effizient sein. Was digital eher fehlt, ist das persönliche Kennenlernen, das Informelle, Kreative und Spontane. Und natürlich die interkulturelle Erfahrung: Letztendlich muss ich ein Land doch einmal vor Ort, in der Fremde erleben. Mit den Menschen sprechen und mich mit ihnen treffen. So können Freundschaften entstehen. Für all das ist physische Mobilität weiterhin unverzichtbar.
Der wissenschaftliche Austausch funktioniert also rein digital?
Auch für den fachlichen Austausch sind gute und vertrauensvolle Beziehungen mit Kolleginnen und Kollegen notwendig. Zudem sind internationale Netzwerke in der Wissenschaft unverzichtbar. Dafür ist es ungemein hilfreich, wenn man Menschen vor Ort kennenlernt und länger mit ihnen zusammenarbeitet. Rein digital bilden sich die Netzwerke wesentlich schwieriger aus. Es geht also meist um sinnvolle Hybride, zum Beispiel den Wechsel zwischen Präsenz- und Onlinekonferenzen.
Der DAAD wird dieses Jahr zum ersten Mal eine Klima- und Umweltbilanz für den eigenen Geschäftsbetrieb veröffentlichen. Welche Daten wurden dafür erhoben?
Zu den wichtigsten Emissionsquellen des DAAD gehören der Energieverbrauch unserer Liegenschaften, Dienstreisen, Pendlermobilität, Veranstaltungen, Printpublikationen. Für diese Bereiche haben wir aus unterschiedlichen Quellen Daten gesammelt und die Emissionen daraus errechnet. Über drei Jahre hinweg konnten wir so eine Bilanz mit sehr soliden Daten schaffen, die fast den gesamten Geschäftsbetrieb des DAAD abdecken. Im nächsten Schritt wollen wir auch Förderhandlungen erfassen, also beispielsweise Flüge von Studierenden.
Ziel des DAAD ist es, im eigenen Geschäftsbetrieb bis 2030 vollständig klimaneutral zu werden. Wie wollen Sie dieses Ziel erreichen?
Bei Emissionen gilt für uns: Vermeiden vor Reduzieren vor Kompensieren. Zum einen wollen wir klimabelastende Aktivitäten zurückfahren. Konkretes Beispiel: Nationale Flüge gibt es beim DAAD nur noch in Ausnahmefällen, für Inlandsstrecken nutzen wir die Bahn. Zum anderen wägen wir ab, welche Veranstaltungen wir künftig noch in Präsenz und welche wir digital ausrichten werden.
Welche Maßnahmen haben Sie bereits jetzt umgesetzt?
Wir haben bereits große Fortschritte erzielt. Etwa beim Gebäudemanagement, wo wir fast überall auf Ökostrom umgestellt haben. Auch die Isolierung unserer Liegenschaften haben wir deutlich verbessert. Zudem besteht fast die gesamte Dienstwagenflotte des DAAD nun aus Elektrofahrzeugen. Für Veranstaltungen und im Einkauf haben wir eigene Leitfäden und Checklisten entworfen, um die Kolleginnen und Kollegen für das Thema zu sensibilisieren. Zu diesen Themen tauschen wir uns auch mit den Hochschulen aus und teilen unsere Best Practices.
Welche Maßnahmen haben Sie darüber hinaus noch geplant?
Im Bereich Dienstreisen-Budgetierung werden wir in Zukunft auch ökologische Faktoren miteinbeziehen. Das Pendeln mit dem Fahrrad für unsere Mitarbeitenden wollen wir noch stärker incentivieren. Zudem sind wir Teil einer großen Aktion der Stadt Bonn, die eine Ridesharing-App für Fahrgemeinschaften auf dem Arbeitsweg anbietet.
Interview: Johannes Kaufmann (8. November 2022)